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Stadthexe und Naturreligion
Aufgewachsen bin ich auf dem Lande, doch die meiste Zeit meines erwachsenen Lebens habe ich in der Stadt gelebt. Seit 25 Jahren bin ich in Kiel. Kiel ist nicht besonders groß, aber Landeshaupst- und Universitätsstadt und so hat es vieles was eine Großstadt ausmacht. Immer mal wieder treibt mich die Frage um, warum lebe ich eigentlich nicht auf dem Lande. Sicher der Traum vom einsam gelegenen Häuschen, ohne viel Schnickschnack (vorzugsweise mit Strand und Wald), ist latent vorhanden. Doch schon lange habe ich erkannt, dass es halt ein Traum ist und mir nicht wirklich entspricht. Zumal es natürlich auch mit dem zunehmenden Alter zu tun hat. Es ist schon angenehm den heilkundigen Mann und Einkaufsmöglichkeiten in Laufnähe zu haben.
Doch was hat es nun mit der Naturreligion auf sich. Manchmal denke ich, dass es gerade für Stadtmenschen wichtig ist, sich den Kreislauf der Natur zu verinnerlichen, die Grünflächen zu pflegen und sich dafür einzusetzen, dass es Schwemmflächen, Parks und Bäume gibt. Das kleine Gärten verhanden sind und es Möglichkeiten gibt sich im Freien aufzuhalten. Ich bin sehr dankbar für unseren Hinterhof, der für mich eine Mischung aus erweiterten Wohnzimmer und Kraftquell ist. Sicher hier wird kein Gemüse angebaut, aber es gibt neben Blumen, eine Vielzahl von Kräutern. Pfefferminze, Zitronenmelisse, Knoblauchrauke, Löwenzahn, Eisenkraut, Basilikum und was man sonst so braucht. So war es nicht von Anfang an. Als ich hier einzog, gab es das Beet nicht. Das hat der Hausbesitzer später angelegt und ich habe denn die Pflege und Erweiterung übernommen. Es ist also mit mir und in mir gewachsen. Dieses kleine Stücken Erde hat viel dazu beigetragen, dass ich mich mehr und mehr mit dem Wachsen und Vergehen im Jahresrad verbunden habe und dass ich mich so saisonal wie möglich ernähre. Ein weiterer Baustein zum renaturierten Leben in der Stadt.
Manchmal denke ich, es wäre schön eigenes Gemüse ziehen zu können. Dann aber wieder bin ich ehrlich genug, mir einzugestehen, dass, sogerne ich ein wenig im Garten puzzele, es mir zu viel wäre und nicht genug Zeit zum träumen, zaubern und schreiben bliebe. Also ist es wohl gut so, wie es ist.